Von Franz Rheinberger

Dass Hydra Comics für Schnappatmung im kleinen linksliberalen Teil der deutschen Comicszene sorgen würde war von vornherein klar und manchmal verdient diesen Schnappen nach Luft ein Festhalten in einer ruhigen, aber nie vollständigen Momentaufnahme. Findige Leser der Social Media Aktivitäten von Hydra Comics wissen bereits worum es geht – schaut einfach regelmäßig auf Twitter, Instagram, Telegram, Gab und/oder Facebook vorbei, weil der ganze Rassel munter weiter tobt. Die »extreme Dünnhäutigkeit« der linken Szene, von der Caroline Fourest in »Generation Beleidigt« schreibt,[1] hat sich in der Reaktion auf die »Comixene – Fachmagazin Comic + Cartoon« gezeigt, welche im aktuellen Heft 138, wie in jeder Ausgabe, über Neuigkeiten und Interessantes aus der Comicszene berichtet und dort Hydra Comics als Neuen Comicverlag vorstellte. Es sind nur wenige Zeilen, die u.a. knapp und ohne die üblichen Plattitüden die Ziele des Hydra Comics Verlags aufzählen. So wird betont, dass »ein atemberaubendes Variantcover« – dieses ist es wahrlich – von Wolf PMS für die erst Ausgabe von Hydra Comics beigesteuert wurde, und dass »das Thüringer Nachwuchstalent Remata’Clan«, »ganz traditionell mit Farbe und Pinsel seine erste Comicseite« anfertigte.[2] Diese kurze Neuigkeit reichte jedoch bereits aus, sich von der Comixene zu distanzieren.

Emanuel Brauer, der auch Beiträge für die Comixene beisteuerte, erklärte in kryptischen Zeilen auf seinem Blog, dass er einen Beitrag – er erwähnt nicht um welchen Beitrag es geht – nicht mit seinen »moralischen noch ethischen Prinzipien« vereinen kann und zukünftig nichts mehr verfassen wird. Besonders »der bisher nüchterne Umgang«, mit dem Thema, »enttäuscht« Brauer »maßlos.«[3] Da also keine sachlicher Umgang gewünscht ist, wird lieber ein hypermoralisches Gekreische angestimmt, welches jene »narzisstische und neurotische Generationen hervor[bringt], deren Wut auf Andersdenkende dank der sozialen Netzwerke noch verstärkt wird«, so Fourest.[4]

Dieses verstärken zeigte sich sehr gut im »Tugend-Schaufenster Twitter«,[5] weil dort schnell die üblichen geistlosen Phrasen »gegen rechts« abgefeuert wurden.[6] So beklagt ein Nutzer, die Comixene hätte »einen positiv lobenden und ungefilterten Kurzartikel« zu Hydra Comics veröffentlicht; heißt, dass man nicht tausendfach das Wort »Nazi« in den Artikel gestopft hat; ein anderer infantiler Nutzer ist »echt sauer und enttäuscht«; eventuell kommt der nervige »Comic sind bunt«-Schrott – was ohnehin ein bizarres Statement ist wenn es um Comics geht und gleichzeitig eine Abwertung der schwarz-weiß-Erzeugnisse innerhalb der Neunten Kunst verkörpert – nicht bei allen so vortrefflich an, wie einige vermuten; auch die »akademischen Eliten« der sogenannten »Comicforschung« hätscheln wieder das »kulturelle Sektierertum«, so wie es auch Fourest ausführt.[7] Weiterhin macht der deutschsprachige Splitter Verlag, angestachelt von Brauer, unmissverständlich deutlich, dass Comixene mit dem Stopp seiner Anzeigen rechnen muss, wenn man sich nicht wieder vollständig der herrschenden Klasse unterordnet, der regelmäßig im Tagesspiegel schreibende Comickünstler Bela Sobottke, der auch schon mal von »ausrotten« phantasiert wenn es um »Nazis« geht,[8] sieht es ähnlich wie andere, dass »eine rote Linie überschritten« wurde, wohingegen der linke Comiczeichner Nic Klein gerne sein beigesteuertes Cover (eine Hommage an die Comicserie Malcolm Max – dessen 5. Teil leider immer noch auf sich warten lässt) für die Comixene 138 zurückziehen würde. Währenddessen stellt das Comictalk Format seine Kooperation mit Comixene bis auf weiteres ein, weil sich nicht deutlich genug von einer »offen oder popkulturell getarnt[en]« »diskriminierenden Ideologie« distanziert wurde; eventuell schaut man noch mal seine Hauseigene Episode 13 zum Fall vom schwulen Comiczeichner Ralf König an, wo Hella von Sinnen, mit dem gleichen sprachlichen Duktus der herrschenden linksliberalen Comicszene ausgestattet, die »diskriminierende Ideologie« von Teilen der LGBT-Bewegung, darunter fallen auch eindeutig die »woken« Sympathisanten, mit einer »Pseudo-Schere im Kopf« beschrieb, »die aber eigentlich faschistoid konnotiert ist.«[9] So gehen die Reaktionen auf die Comixene ewig weiter. An diesen ganzen hier bruchstückhaft aufgezeigten phrasenhaften Aussagen und den dazugehörigen Verhaltensmustern, zeigt sich ziemlich offen die Kontinuität der herrschenden linksliberalen Ideologie, keine kritischen Stimmen neben sich zu dulden.

Screenshot von Twitter: Der Splitter-Verlag droht. Das ist der aktuelle Umgang mit Abweichlern.

Gerade Anzeigen und Werbung sind für solche Magazine sehr wichtig, womit das gesamte Bild schon Richtung »Existenzvernichtungsphantasien« geht, von denen der Nordkurier in einem ähnlich gelagerten Fall schrieb, welcher ebenfalls auf Twitter entbrannte.[10] »Es sind [d]ie Eiferer auf Twitter«, schrieb Fatina Keilani indessen im Tagesspiegel, sie »halten sich für die besseren Menschen, sind dabei aber gnadenlos intolerant.« Denn jene, so Keilani weiter, »meinungsstarke Gruppe ist eine Gefahr für die Pressefreiheit, davon bin ich inzwischen überzeugt.«[11] Es wurde deutlich, ist aber auch bekannt, was die linksliberale Comicszene unter Pressefreiheit versteht, aber was eben auch herrschende Pressefreiheit bedeutet – noch mal angemerkt, es war nur eine kurze Neuigkeit zu Hydra Comics. Zudem kann schließlich nicht jeder, wie die sogenannte »Comicforschung« für ein Symposium zum Thema »Race, Class, Gender & Beyond – intersektionale Ansätze der Comicforschung« von der Volkswagen Stiftung eine Förderung von über 30.000 Euro bekommen, während das VW Tochterunternehmen MAN ca. 3.500 Arbeitsplätze in Deutschland abbaut, darunter die Rasur von 150 Stellen im sächsischen Plauen. »Darauf haben sich Vorstand und Betriebsrat des Unternehmens nach monatelangem Streit geeinigt«, so ZEIT Online.[12] Für die finanzielle Förderung solcher Symposien stehen VW also Mittel zur Verfügung, während die ihr zuzurechnenden Arbeiter sehen müssen wo sie bleiben. Die Verknüpfung der Klassenfrage und der sozialen Frage der Arbeiter mit den popkulturellen Sphären einer Comicforschung, also die Situation der Arbeiter analytisch mit Comics zu unterfüttern wird eher zweitrangig behandelt, obwohl dies ein interessanter Ansatz wäre.[13] Das herrschende System kann aber auch an solcher Kritik kein Interesse haben und kann sich auf seine linksliberalen Steigbügelhalter stets verlassen, die jeden Kritiker mundtot machen und deswegen auch ihre verdiente Zuwendung erhalten.

Ironisch wird es zudem dadurch, dass innerhalb der Neuigkeiten des gleichen Hefts 138 erwähnt wird, dass man heute bei Asterix »nicht mehr so leicht mit Klischees über ein Land spielen [kann] wie dies früher der Fall gewesen sei« und »fast ein Wörterbuch« braucht, damit man weiß, »worüber man Witze machen darf.«[14] Man engt also jene Kunst bewusst weiter ein, ignoriert und/oder verunglimpft sämtliche Kritik und setzt als Teil der »herrschende[n] Klasse«, so wie es Rolf Peter Sieferle in »Das Migrationsproblem« erwähnt, »gewissermaßen kulturelle Patina« an.[15] Diese Patina dient dann als Panzer, den Andere als zu eng empfinden und ihn nicht nur aus diesem Grund aufbrechen wollen. Die damit verbundene Willkür jemanden einzuzwängen, von dem man auch nur glaubt er schere unabsichtlich und/oder absichtlich aus, kann fast jeden treffen, nur weil die herrschende Klasse ständig neuer Feinde bedarf. Denn ob die Blätter für deutsche und internationale Politik in Zukunft den Beitrag der taz-Journalistin Heike Holdinghausen löschen, weil sie Sieferle mit seinen »unterirdischen Wälder[n]« die »ausgebeutet« werden keinesfalls in einem negativen Kontext zitiert, wird die Zukunft zeigen.[16]

Dass in der Comixene regelmäßig Beiträge einflossen, die dem unwissenschaftlichen Thema Gender Platz verschafften und/oder modernen Feminismus pflegten, spielt nun alles keine Rolle mehr, weil man ein paar knappe Worte zu Hydra Comics, ohne Diffamierung, geschrieben hatte.[17] Dies verdeutlicht auch der Twitteraccount der Comixene, der (noch) von einem freiwilligen Mitarbeiter betrieben wird, in einer »erbärmlichen« Reaktion, der solche früheren linksliberalen Beiträge einfach ignoriert.[18] Dieser Mitarbeiter schreibt in üblicher infantiler Manier, »dass ALLE Menschen friedlich gemeinsam leben können«, »alle« meint jedoch stets nur die eigene linksliberal Szene unter Ausschluss jener die als »Nazis« bezeichnet werden, weil jene es wagen in der Welt kein großes rosa-rotes Utopia zu sehen, sondern die sozialen und gesellschaftlichen Missstände auch mit Hilfe des popkulturellen Mediums Comics aufzeigen, aber auch anders unterhalten wollen.

Mittlerweile hat sich natürlich auch der Chefredakteur der Comixene wieder reumütig eingereiht und einen Hintergrundbericht für die nächste Ausgabe, Heft 139, angekündigt, was übrigens die linksliberale Comicszene nicht zufriedenstellt. Schließlich war es durchaus interessant, dass der Betreiber des Comixene Twitteraccounts zuvor schon angedeutet hatte, dass die Kritik auf den Hydra Comics Beitrag von dem Chefredakteur eher abgewunken wurde, und nun soll ein Bericht folgen, der jedoch nicht hilfreich wäre, so die Auffassung der meisten Linken. Schließlich will man Hydra Comics, dessen Name bloß nicht erwähnt werden soll und darf, keinesfalls eine weitere Plattform geben. Man ist schon tief gesunken, wenn selbst das linksliberale Medium ZEIT Online folgende Worte schreibt – im Kern natürlich nur heuchelt: »Wenn Medien nicht mehr in der Lage sind, partei- und lagerübergreifend einen Austausch zu organisieren und stattdessen darauf setzen, möglichst störungsfrei die eigene politische Klientel zu bedienen, dann betreiben auch sie die Spaltung der Gesellschaft – und am Ende die der eigenen Leserschaft.«[19] Die Leserschaft scheint sich aber in diesem Fall recht einig zu sein, dass man Hydra Comics keine Plattform gibt. Wahrscheinlich wird der Artikel, wenn er dann kommt, auf dem gleichen niedrigen geistigen Niveau der bisherigen Ausführungen eines Antifainfoblattes oder ähnlicher Erzeugnisse sein und nachdem man gelesen hat, was die linksliberale Comicszene so vom Stapel lässt, darf man keine großer Erwartungen hegen. Trotzdem werden wir amüsiert die nächste Runde erwarten; wenn allein die bloße Existenz solche Schnappatmung auslöst, was soll erst passieren, wenn man sich weiter ausdehnt? Wir werden immerhin weiter an uns arbeiten. Von der linksliberalen Comicszene erwarten wir indessen keine kritische Selbstreflexion und ob wir deren Gefühle verletzen ist uns vollkommen egal.

 

[1]    Fourest, Caroline: Generation beleidigt, Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei, Überden Wachsenden Einfluss linker Identitärer, aus dem Französischen von Alexander Carstiuc, Mark Feldon, Christoph Hesse, Berlin 2020, S. 101.

[2]    Info-Szene. In: Comixene, Heft 138, 49. Jg. 2021, S. 20-23, hier S. 22.

[3]    Vgl. https://twitter.com/ComicsHydra/status/1364489396716716032

[4]    Fourest, Generation, S. 112f.

[5]    Mladek, Jürgen: Der Nordkurier erscheint weiter ohne Haltungs-Disclaimer. In: Nordkurier.de vom 31. Januar 2021, https://www.nordkurier.de/politik-und-wirtschaft/der-nordkurier-erscheint-weiter-ohne-haltungs-disclaimer-3142267001.html

[6]    Folgende Zitate sind Twitter entnommen. Eine kleine Übersicht lieferte auch die Tagesstimme, vgl. Schernthaner, Julian: In der Szene ist der Teufel los. In: Tagesstimme.com vom 25. Februar 2021, https://tagesstimme.com/2021/02/25/patriotische-comicmacher-als-zankapfel-in-der-szene-ist-der-teufel-los

[7]    Fourest, Generation, S. 58.

[8]    Vgl. Rheinberger, Franz: Comicforschung: Der Vigilant – eine Replik auf die Lücken im Alfonz – Comicreporter. In: Hydra Comics Blog vom 18. November 2020, https://hydra-comics.de/comicforschung-der-vigilant-eine-replik-auf-die-luecken-im-alfonz-comicreporter/

[9]    Wenn man das Problem nicht Antifaschismus nennen will, vgl. Comictalk, Episode 13 vom 2. August 2019, https://dercomictalk.de/2019/10/09/comic-talk-13/

[10]  Mladek, Haltungs-Disclaimer.

[11]  Keilani, Fatina: Was ich erlebte, als ich über Antirassismus schrieb. In: Tagesspiegel.de vom 22. Januar 2021, https://www.tagesspiegel.de/meinung/im-shitstorm-was-ich-erlebte-als-ich-ueber-antirassismus-schrieb/26843724.html

[12]  ZEIT Online, dpa, ale: MAN baut 3.500 Stellen in Deutschland ab. In: ZIET Online vom 26. Januar 2021, https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2021-01/man-lkw-hersteller-sachsen-plauen-stellenabbau-deutschland-oesterreich

[13]  Vgl. Rheinberger, Franz: Gramsci goes Pop. In: Jungeuropa Blog vom 9. Juni 2020, https://podcast.jungeuropa.de/gramsci-goes-pop/

[14]  Comixene, Heft 138, S. 22.

[15]  Sieferle, Rolf Peter: Das Migrationsproblem, Über die Unvereinbarkeit von Sozialstatt und Masseneinwanderung, 5. Aufl., (Werkreihe TUMULT, Bd. 1) Dresden 2017, S. 61.

[16]  Holdinghausen, Heike: Verdörrt und vernutzt: Das Drama des Waldes. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Heft 9, 65. Jg. 2020, S. 9-12, hier S. 9, Fußnote 1.

[17]  Zum Thema Gender, vgl. Pfalzgraf, Markus: Das Jahr der Transidentitäten. In: Comixene, Heft 137, 48. Jg. 2020, S. 82f.; Aus dem Fall des schwulen Künstlers Ralf König, dessen Karikaturen von der schwulen Community angegriffen wurden, hat die linksliberale Comicszene, wenn wundert es, keine selbstkritischen Schlüsse gezogen, vgl. Bandle, Rico: Angriff auf die Knollennasen. In: Comixene, Heft 132, 47. Jg. 2019, S. 6-8; vgl. Pfalzgraf, Markus: Zoff und Einigkeit. In: Comixene, Heft 132, S. 10.; Heft 127 der Comixene widmet sich komplett dem Thema »Frauen«, oft mit einem nervenden Einschlag, vgl. Schneider, Nora: Gehören Frauen in den Kühlschrank, Gender-Diskussionen in der US-Comicszene ein Überblick. In: Comixene, Heft 127 46. Jg. 2018, S. 22-25.; vgl. Pfalzgraf, Markus: Westcoast Woman. In: Comixene, Heft 127, S. 30-32.

[18]  Vgl. Fourest, Generation, S. 28.

[19]  di Lorenzo, Giovanni: Wofür stehen wir?. In: ZEIT Online vom 24. Februar 2021, https://www.zeit.de/2021/09/pressefreiheit-journalismus-gesellschaft-spaltung-politik/komplettansicht