Von Michael Schäfer, Verlagsleiter Hydra Comics

Es gibt diese eine Comicserie, die ich für die beste der Welt halte – ein einzigartiges, bewusstseinserweiterndes Meisterwerk. Sie regt ernsthaft zum Nachdenken über unsere Welt an: Über die Mächtigen, die uns Möglichkeiten und eine wunderbare, einzigartige und seltsame Welt vorenthalten, um uns in ihr Hamsterrad des Alltags zu zwingen.

Diese Ausnahme-Serie trägt den Titel Planetary, geschrieben vom Briten Warren Ellis und illustriert vom amerikanischen Zeichner John Cassaday. Cassaday ist gestern am 9. September 2024 im Alter von nur 52 Jahren verstorben. Seine Kunst hat mich nicht nur bei Planetary tief berührt und meine Sichtweisen auf die Welt und ihre sichtbaren und unsichtbaren Regeln beeinflusst. Daher schreibe ich diese Zeilen – als Hommage an ein großartiges, lesenswertes Kunstwerk.

Archäologen des Unmöglichen

„Das ist Planetary: Drei Menschen streifen die Erde, um nach Merkwürdigkeiten und Wundern zu suchen. Sie fördern Dinge zutage, die vielleicht besser unentdeckt geblieben wären. Es sind Archäologen des Unmöglichen, die das Innerste der Erde erforschen und dabei die geheimsten Grenzen einer fantastischen Welt kartieren. Das ist Planetary.“

So beschreibt sich die Serie selbst. Eine geheimnisvolle Organisation, operierend im Verborgenen und ausgestattet mit scheinbar unendlichen Ressourcen, schickt ein dreiköpfiges „Feldteam“, das über abgedrehte übermenschliche Fähigkeiten verfügt, auf die Suche nach der verborgenen Geschichte der Welt.

Der Clou: In jedem Heft gibt es zahllose Anspielungen auf Filme, Bücher, Comics, Persönlichkeiten, Videospiele, Serien und Ideen, die in eine individuelle Geschichte eingebettet sind – als Teil einer größeren Erzählung. Dabei durchstreift die Serie verschiedene Genres, und jedes Heft passt sich auch optisch daran an. Die Cover der Hefte sind wie Teile der Popkultur gestaltet, die sie behandeln. Mal erinnern sie an ein Godzilla-Filmposter, mal an viktorianische Romane, Kunst der Aborigines oder Pulp-Fiction-Magazine der 40er Jahre. Trotz der Vielfalt der Stile, Einflüsse und Figuren werden sie alle glaubwürdig, wunderschön und mit Respekt dargestellt.

Wer sich in der Popkultur auskennt, wird unzählige Details in Text und den Bildern von Cassaday wiedererkennen. Genau dieser Ansatz machte Planetary zu einem der meistgelobten Comics aller Zeiten.

Auf zur Jagd!

Die Serie erschien in Deutschland auf dem Höhepunkt des Comicbooms Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre. In dieser Zeit wurde beinahe alles übersetzt und veröffentlicht. Doch dieser Boom hielt nicht lange an, und viele großartige und bekannte Titel verschwanden schnell wieder vom Markt.

Wer Planetary heute lesen möchte, muss auf eBay oder bei Fachhändlern nach den 21 Heften oder den drei Sammelbänden suchen. (Link zu den Heften und hier zu den Sammelbänden).

Die gute Nachricht: Die meisten Comics sind zu erschwinglichen Preisen erhältlich, sodass man problemlos in die Serie einsteigen kann. Die schlechte Nachricht: Der Verlag konnte die Serie auf Deutsch nicht komplett veröffentlichen. Die letzten Hefte erschienen nur in einem limitierten Sammelband mit dem Titel „Raumzeit-Archäologie“. Auf Englisch (als „Spacetime Archaeology“) jedoch liegt die Serie vollständig und kostengünstig vor.

Mein Tipp: Lest auf Deutsch, was verfügbar ist, und wechselt für den letzten Sammelband ins Englische.

Das mag auf den ersten Blick kompliziert erscheinen, aber es lohnt sich. Wenn eine Serie zeigt, wie vielseitig, einfallsreich und bewegend Comics sein können, dann ist es Planetary.

Es wäre schön, wenn neue Leser Cassadays Kunst entdecken und schätzen lernen. Jeder Künstler wünscht sich schließlich, etwas von Bedeutung zu hinterlassen – etwas, das ihn ein kleines bisschen unsterblich macht.

Während Planetary in den Schatten der Welt spielt, lebt die Schwesterserie The Authority ebenfalls von Warren Ellis im globalen Rampenlicht. Auch diese Serie ist noch zu unbekannt und bietet einzigartige Comickunst. The Authority ist hier bei uns im Versand erhältlich. Weitere Ellis-Titel bei uns: NarbenÄthermechanik und Frankensteins Schoß.

Weitere Comics von John Cassaday auf Deutsch findet ihr hier.