Von Daniel Pommerenke

Inspiriert durch die Veröffentlichung der »Hydra Comics« Redaktion, welche ihre Comics aus dem Jahr 2020 empfiehlt, will der Verfasser auch gerne drei Vorschläge unterbreiten, wobei von einer Hierarchisierung durch eine Platzierung abgesehen wurde. Zudem sei angemerkt, dass die Comics lediglich gut sind, denn so richtig konnte keiner der Comics, die so gelesen wurden, überzeugen.

»Aliens: Staub zu Staub«

Die Geschichte von »Aliens: Staub zu Staub« versucht die Elemente aus den bekannten Filmen »Alien«, also die unheimliche klaustrophobische Atmosphäre eines plötzlich zuschlagenden Xenomorphs, und »Aliens: Die Rückkehr«, wo die eigene technische Dominanz gegen die zahlenmäßige Überlegenheit des Feindes nutzlos war und zwar actionreicher; aber nicht weniger beklemmend daherkam, sinnvoll miteinander zu kombinieren, damit tatsächlich eine Art Synergie entsteht. Wobei eindeutig der actionlastige Teil überwiegt, weil der Leser bereits zu Beginn mitten ins Geschehen hinein geworfen wird und man jenes rasante Tempo Schlag auf Schlag bis zum Finale beibehält. Wie die Protagonisten, erhalten auch die Leser kaum Zeit zum Verschnaufen und dies macht tatsächlich Spaß. Schließlich hat man es mit einer tödlichen Spezies zu tun, die einem keine Pausen gönnen würde. Die düsteren und teilweise wilden Zeichnungen tragen zu diesem rasanten Erzählstil im positiven Sinne bei, weil sie das Chaos eines aus dem Nichts auftauchenden mörderischen Xenomorph oder gleich eines ganzen Schwarms schön herüberbringen. Zusätzlich interessant an dem Comic, welcher bei »Cross Cult« veröffentlicht wurde, ist die Wahl der Perspektive der Erlebnisse aus der Sicht des zwölfjährigen Maxon, der realisieren muss wie verzwickt und aussichtslos die Lage gegenüber einem archaischen wirkenden, eher gut angepassten, Gegner erscheint. Es ist jedoch kein Meilenstein, aber eventuell eine der letzten brauchbaren Alien-Geschichte, weil in Zukunft die Comics nicht mehr über »Dark Horse Comics« vertrieben werden, sondern über »Disney/Marvel«, die »20th Century Fox« und auch gleich jenes Franchise von »Dark Horse« übernommen haben.[1] Man darf sich also in Zukunft bestimmt über ganz besonders progressive Aliens freuen – in jener Geschichte nur am Rande eingeflossen, obwohl »Dark Horse« nicht weniger »woke« ist als »Disney/Marvel«. Zumindest ist es nicht abwegig, dass dieses Gebaren zu nimmt, weil man bereits innerhalb des offiziellen »Alien« Twitter-Accounts 2019 seine Agenda ganz offen zeigte, aber ohne die dabei mitschwingende Komik zu berücksichtigen.[2] Denn jeder Kenner des Genres weiß, was einem nach dem bedenkenlosen Kontakt mit so einem Alien-Ei blüht – von daher einfach zweimal hinsehen und die lauernde Gefahr erkennen.

Eine kleine Leseprobe gibt es direkt bei »Cross Cult«.

»DC-Horror: Der Zombie-Virus« (»DCeased«)

Bei »DC Comics« krankt es auch ohne aktuell medial dominierende Krise, die gerade noch andere tiefgreifende Krisen (vor allem ökonomischer, ökologischer und kultureller Natur, obwohl die damit teilweise verbunden Auswirkungen auf die katastrophale medizinische Versorgung keineswegs abgestritten werden können[3]) überschattet und deren Einfluss sich auf den Comicmarkt und die Shops noch nicht vollkommen entfaltet hat,[4] an allen Ecken und Kanten. Denn die geplante und bereits teilweise vollzogene Neuausrichtung von »DC Comics« hängt damit zusammen und ruiniert zunehmend den Inhalt der Geschichten, weshalb es nur noch selten erfrischende Ausnahmen gibt. Doch es gibt sie noch. Zwar gibt es bei »Marvel« bereits des längeren eine Zombie-Plage innerhalb der Comics – übrigens nicht nur dort –, aber nun hat auch »DC Comics« seine eigene Zombie-Plage und damit seine Version: »DCeased« geschaffen, welche bei »Panini Comics« unter dem sperrigen deutschen Namen »DC-Horror: Der Zombie-Virus« gedruckt wurde und so das englische Wortspiel um »deceased« nicht mehr funktioniert. Komischerweise wurde bereits in Übersee jener Comic nicht unter dem passenden Imprint: »DC Black Label« veröffentlicht, wo solche Geschichten, die außerhalb der sonstigen erzählenden Kontinuität spielen und häufiger einen finsteren Touch haben, eher ihren Platz finden,[5] funktioniert aber auch ohne »Black Label«.[6] Es ist natürlich kein innovativer großer Wurf, aber dennoch ist jene Zombifizierung paradoxerweise sehr erfrischend und ansteckend, und zwar im positiven Sinne, weil wie es Batman vor seinem Ableben bemerkt, es sich um keine klassischen Zombies handelt. Die sogenannte »Anti-Lebens-Formel« vom Superschurken Darkseid wurde modifiziert und gerät natürlich klischeebedingt außer Kontrolle, wo sich diese mit der Hilfe des Helden Cyborg anschließend als techno-organischer Virus auf der Erde über diverse Displays verbreitet. Damit übt man eine moderne Form der Technik- und Konsumkritik des Menschen, wovor auch Helden nicht gefeit sind. Diese verschachtelte Kritik und der Umstand, dass das Geschehen auf einer alternativen Zeitschiene stattfindet und somit auch A-Liga-Helden, wie erwähnt Batman, genauso wie Schurken, Darkseid, schön blutig abtreten dürfen, sorgen für eine positive Infektion. Diese DC Zombies funktionieren also überraschenderweise in Kombination mit den bekannten Superhelden oder eventuell gerade deswegen (?) und dank der mitschwingenden angeführten Kritik recht gut, weshalb man sich in diesem Fall ruhig infizieren sollte, damit das Virus die Kontrolle übernehmen kann, weil in vielen Bereichen hat das im Comic skizzierte Virus dies ohnehin schon und man selbst bekommt es gar nicht mehr mit. Zombie halt.

Ein kleiner Einblick wird ebenfalls ganz offiziell gewährt und seinerzeit hatte »DC Comics« sogar einen Trailer entworfen:

 

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»Schlange und Speer, Teil Eins: Schatten-Berg«

Statt schon wieder einen langweiligen Abenteuercomic vorgesetzt zu bekommen, wo irgendwelche
schimmernden Conquistadores es ihrem Namen gleich tun und zum wiederholten Male Mittelamerika erobern oder einem ein abgedroschener Abwehrkampf der indigenen Bevölkerung regelrecht reingewürgt wird, bekommt der Leser mit dem ersten Teil von »Schlange und Speer«, welcher im »Splitter Verlag« erschienen ist, einen »Aztekenkrimi« und somit ein Novum präsentiert. Das gängige Genre der Kriminalgeschichte wird kombiniert mit der faszinierenden Kulisse des »Einzigen Reiches«, der Name des Aztekenreiches. Dabei blickt man jedoch nicht stumpf auf jenes Reich durch die fremde Perspektive, sondern schaut im übertragenen Sinne aus diesem Reich heraus auf das Leben der Azteken, die sich mit einer Mordserie herumplagen müssen und diese natürlich aufklären wollen – es sei angemerkt, dass es sich um keine historische Darstellung handelt. Dabei wird einem auf der einen Seite die Geschichte teilweise so farbenprächtig wie ein geschmückter Jaguarkrieger präsentiert und auf der anderen Seite werden die Geschehnisse in blasse Töne getunkt, wo dann das rot für die Darstellung von »Tonalli« (Blut) die angenehme farbliche Tristesse durchbricht, wenn z. B. innerhalb der freien Religionsausübung der Azteken deren Götter Menschen geopfert werden und das dortige raus gerissene Herz, dass eigene rote Herz gleich viel höher springen lässt. Natürlich können die folgenden zwei Teile Müll werden, die Geschichte schlecht zu Ende bringen und damit auch rückwirkend eine spannende Idee zu Grunde richten, aber der positive Vorschub kann hier ruhig einmal gewährt werden, weil ebenfalls gezeigt wird, wie auch jemand körperlich deformiertes ein ziemliches Arschloch sein kann. Der erzählerische und grafische Einstieg in den ersten ansprechenden Teil dieser »Aztekenkrimi«-Trilogie macht durchaus Lust auf mehr, weil der Comic den Blick auf jenes »Einzige Reich« genüsslich erweitert und gleichzeitig bereichert, indem es auch von gängigen Klischees befreit wird ohne diese gleich wieder in eine andere langweilige Form zu gießen.

Leseprobe gibt es auf der Seite des »Splitter Verlags«.


[1]    Vgl. https://boundingintocomics.com/2020/12/07/marvel-comics-announces-new-aliens-series/

[2]    Vgl. https://twitter.com/AlienAnthology/status/1137072266263638016?s=20

[3]    »Im Augenblick konzentriert die Welt sich darauf, die aktuelle Krise des Gesundheitswesens zu überleben«. Was hoffentlich nicht zu weiteren Privatisierungen im Gesundheitswesen führt. Mazzucato, Mariana: Kapitalismus nach der Pandemie. In: Blättern für deutsche und international Politik, Heft 12, 2020, S. 51-60, S. 53, online: https://www.blaetter.de/ausgabe/2020/dezember/kapitalismus-nach-der-pandemie

[4]    »Von den knapp 10.000 Buchhandlungen der USA werden wohl insgesamt wie relativ mehr die Pandemie überleben als von den knapp 2000 Comicshops.« Pannor, Stefan: DC: Das große Schlachten im Management. In: Comixene, Heft 137, 2020, S. 17-20, hier S. 19. In Deutschland wurden u. a. erste Einschätzungen zur Krise auf comic.de gesammelt: »Ich hoffe sehr, dass bei der Umsetzung der Maßnahmen nicht nur das als systemrelevant angesehen wird, was Aktionäre glücklich macht, sondern im Gegensatz zur Finanzkrise den Schwächeren stärker geholfen wird als den Starken«, so Joachim Kaps von »Altraverse«. Weitere Ausführungen unter: https://www.comic.de/2020/04/coronakrise-was-sagen-die-comic-verlage/. Später folgten durchaus positive Äußerungen: »Die düsteren Prognosen des Frühjahrs haben sich glücklicherweise nicht bestätigt, ganz im Gegenteil hat sich der Comicmarkt rasch erholt und die Nachfrage nach Comics hat wieder angezogen. Umsatzeinbrüche hat es nicht gegeben, das ist ein äußerst erfreuliches Signal«, so Klaus Schikowski von »Carlsen Comics«. https://www.ppm-vertrieb.de/news/2785/Carlsen-Comics-Programmleiter-Klaus-Schikowski-Umsatzeinbrueche-hat-es-nicht-gegeben-das-ist-ein-aeusserst-erfreuliches-Signal.html

[5]    Vgl.  https://www.dccomics.com/blog/2018/03/08/dc-launches-new-publishing-imprint-dc-black-label

[6]    Kürzlich hatte der kanadische Comickünstler Jeff Lemire (Sweet Tooth, Gideon Falls) zwei Comics für »DC Black Label« angekündigt, wie die französische Seite »DC Planet« berichtet. Lemire gab an, dass er an seinem DC-Lieblingscharakter arbeiten durfte, so wie er wollte. Welcher Charakter dies ist und ob die Geschichte sinnvoll wird, wird die Zukunft zeigen. Vgl. https://www.dcplanet.fr/271047-jeff-lemire-deux-nouveaux-recits-black-label