Der Text, erstmals veröffentlicht in Hydra Comics #5, gewährt Einblick in das Konzept unserer einmaligen Comicreihe.

Spätestens seit HYDRA COMICS #4 ist klar, dass einige Geschichten unserer Comicreihe miteinander verbunden sind. Die Heldengeschichte aus dem vierten Heft führt uns direkt zum Ende der SCHAKAL-Geschichte aus HC #3. Auch das kurze Auftauchen des zeitreisenden Professors Brunner in HC #2 ist kein Zufall, sondern Teil einer größeren Erzählung.

Eigentlich hatte ich mir gedacht, dass die Leser selbst entdecken sollen, welche Erzählungen zu unserer Geschichtensammlung im HYDRA-Verse (mein etwas skurriler Arbeitstitel) gehören und welche nicht. Manchmal hinterlassen wir nur winzige Hinweise, wie in „Der nützliche Idiot“ in HC #2. Dort ist auf einem Panel der Mond zu sehen, und es scheint, als gebe es dort Städte wie in „Horus“ (HC #1) – also ist es Teil der Gesamterzählung.

Das Konzept ist, dass jeder Teil der großen Geschichte für sich als Mini-Erzählung funktioniert, aber am Ende alles für den aufmerksamen Leser ineinandergreift. Das ist schon seit HC #1 so, wo in „Wiedergutmachung“ bewusst ein wichtiges Detail unerwähnt bleibt. Ich wollte einfach sehen, wie viele Menschen darauf stoßen, und ich habe die Idee der versteckten Hintergrundgeschichte bei „Rick und Morty“ geklaut.

Wie gesagt, ich wollte es so halten, dass man sich alles selbst zusammenreimen muss. Aber in Zeiten von Social Media, Messen und Ähnlichem konnte ich das vergessen.

Geschichten über eine kaputte Welt

Aber das ist nur ein Aspekt. Was viel wichtiger ist, wird in diesem Heft wieder deutlich. In HYDRA COMICS beschäftigen wir uns mit unserer kaputten Welt und überzeichnen sie bis ins Absurde – wie es in Comics üblich ist. Seit HC #2 wissen wir, dass unsere Realität ein dunkler Zeitstrang ist, weil einige mächtige Kräfte daran herummanipuliert haben. Unser Held Benno stammt aus der eigentlichen Realität, die nicht so ungerecht und unfrei ist.

In HC #3 gingen wir der Frage nach, was jemand, der in Opposition zu den herrschenden Eliten steht, tun würde, wenn er übermenschliche Kräfte hätte – und ob das überhaupt etwas ändern würde. Haben wir nicht Gesellschaften und Systeme geschaffen, die so sehr auf Kontrolle und Konformismus setzen, dass der Einzelne, egal, wie mächtig er ist, nichts ändern kann, ohne sich auf die Spielregeln der bösen Jungs einzulassen?

Zensur und Repression

Es geht aber auch um Zensur. Wenn in dieser Ausgabe in „Der Gärtner“ der Professor dem Mondmann Balder einen Ministeriumsbeamten im Kofferraum präsentiert, dann ist das auch unser Kommentar zum Indizierungsversuch der Serie „Der Vigilant“ (hier zu finden). Das Quasi-Verbot sollte damit begründet werden, dass der Anti-Held Vigilant in seiner Comicreihe den Justizminister entführt. Aus Sicht der Zensurbehörde „Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz“ (früher „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“) war dies eine Szene, die sich gegen Vertreter des Staates und unsere Ordnung richtete. Natürlich scheiterte diese absurde Argumentation, die versucht, Kunst- und Meinungsfreiheit zu beschneiden. Aber in einem Staat, in dem man schon vom Inlandsgeheimdienst beobachtet werden kann, wenn man Kritik an der Regierung übt, ist alles möglich. Es ist eine Politik der vielen kleinen Verbote, Repressionen und Einschüchterungsversuche.

Wie diese Politik der Unfreiheit abseits der Indizierungen funktioniert, merken wir und viele andere jeden Tag. Auch wir haben schon Anzeigen und Ermittlungen wegen angeblicher „Volksverhetzung“ erhalten. Wir werden von Plattformen geworfen, oder uns werden Steine in den Weg gelegt. Schlimmer als die idiotischen, lauten, woken 110-prozentigen Konformisten sind die im Hintergrund agierenden Schreibtischtäter, die einfach ihren „Dienst“ tun und machen, was man ihnen sagt – bis zur unverdienten Pensionierung.

All das möchten wir in unseren Comics verarbeiten. Und wie schon Generationen vor uns, die sich mit übereifrigen Zensoren auseinandersetzen mussten – der US-Comic-Code lässt grüßen –, verpacken wir unsere Geschichten in bunte Bilder, überzeichnete Charaktere und weit hergeholte Situationen.

Kunst, die provoziert

In unseren Comics sollen die wirklich Guten auch gelegentlich mal gewinnen, oder es sollen Ideen aufgeworfen werden, die erschrecken oder zum Nachdenken anregen. Gerade das Konzept der vielen Realitäten bietet hier zahllose Möglichkeiten.

Es ist wie in alten „Star Trek“-Folgen, wo jede Woche ein anderer Planet besucht wird und man deren Lebensweise und Gesellschaft betrachtet. Oft gibt es ein großes Problem, das sich im Dunkeln verbirgt.

Aber gleichzeitig müssen Kirk, Picard und Janeway auch gut unterhalten. Und ich weiß, dass viele von euch es genießen, dass es einen Comic gibt, der sich ganz bewusst an keine Regeln des Mainstreams hält.

Denn genau dafür sind wir da. Wir wollen provozierend, kritisch, abgedreht sein und ganz anders, als es unsere kleingeistigen Gegner erwarten.

Also nehmt noch einmal die alten HYDRA-Hefte in die Hand und schaut, was ihr bisher vielleicht übersehen habt und welcher augenscheinliche Unsinn eine tiefere Bedeutung haben könnte.

Micha Schäfer
(November 2024)